Anonyme Bergsteiger
Es gibt noch andere Punkte, an denen man feststellen kann, dass dies hier kein normales Hotel ist. Zum einen schaut einen das Personal nie in die Augen. Holt man seinen Zimmerschlüssel an der Rezeption ab, reichen einem lediglich zwei Hände den Schlüssel entgegen – der restliche Körper wird durch ein Rollo abgeschirmt. Aufgrund mangelnder Englischkenntnisse wird uns nach dem Schlüssel auch manchmal eine kleines Notizbuch gereicht, in dem auf englischähnlicher Sprache eine Frage an uns gerichtet ist. Beispielsweise, was wir zum Frühstück essen wollen. Das wäre auch schon der nächste Punkt, das Frühstück.
Im Eingangsbereich unseres Zimmers befindet sich eine Art Kasten. Wir reimten uns zusammen, dass man da seinem Zimmerpartner ein Geschenk hinterlassen kann, sollte man das Zimmer vor dessen Erwachen verlassen. Doch weit gefehlt! Durch diese Luke wird von außen unser Frühstückstablet hineingeschoben! Einige Sekunden versetzt ertönt dann ein lautes Klingeln, sodass man auch auf keinen Fall vom Personal gesehen wird! Anonymous wäre begeistert!
Mit dem Bus ging es nun zur Station. Das lustige am Busfahren sind meist die Fahrer. Diese reden die ganze Busfahrt durchgehend – sie bedanken sich fürs Bezahlen, fordern höflich die Leute auf, sich festzuhalten und sagen JEDES einzelne Mal an, wenn der Bus stoppt oder anfährt. Das ist im Feierabendverkehr in etwa acht Mal in der Minute, sodass die akustischen Reize nur noch aus „Ikimaaaaaaasu“ und „tomarimaaaaaaasu“ bestehen, je nach Euphorie des Fahrers unterschiedlich betont.
Durch atemberaubende Landschaft, so wie man sie aus Animes oder Reportagen kennt, fuhren wir mit dem Zug nach Yamadera, was übersetzt soviel bedeutet wie Bergtempel. Und genau das war unser Ziel!
1000 Stufen gingen wir im Wald hinauf, von kleinen Schildchen ermuntert, wieviele Stufen man schon geschafft habe. Zu unserem Erstaunen quälten sich viele alte Menschen die Stufen hinauf – eine Hand am Geländer haltend, in der anderen den Gehstock. Die Aussicht nahm einem die Luft! Man sah ein kleines Dorf, dass sich durch das Tal zog und viele bewaldete Hügel. Lange genossen wir die Aussicht, ehe wir den Abstieg wagten. Kamen uns Menschen entgegen, das passierte nicht selten, wurde man freundlich schnaufend mit einem „Konnichi wa“ gegrüßt. Richtung Bahnhof laufend, kamen wir an vielen Schülern vorbei, die in Schuluniform auf Arbeitseinsatz waren: die einen jäteten Unkraut, andere wischten das Brückengeländer ab, gossen Blumen oder fegten die Fußwege.
Als wir nachmittags zurück in Sendai ankamen, war es zu spät, um noch eines unserer Besichtigungsziele in Angriff zu nehmen. Stattdessen schnürten wir unsere Sachen und brachten sie in die nicht allzu weit entfernte Wäscherei, die mit vielen Waschmaschinen und Trocknern (und Fernseher, Bücherregal,….) ausgestattet war. Während des Waschgangs genehmigten wir uns ein Abendessen bei Mc Donalds. Auf dem Rückweg entdeckten wir ein 7 stöckiges Gebäude voll mit Pachinkoautomaten und anderen elektronischen Spielen – ich weiß schon, wo wir morgen Abend verbringen!
Bilder
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