Japan,  Japan 2016

Maiscreme im Selbstmörderwald

 

Wir kamen nach Fujiyoshida mit dem Ziel, den Fuji endlich einmal live zu sehen. In all den Jahren haben wir es nicht geschafft, den größten Berg Japans vor die Linse zu bekommen. Wer sich jetzt jedoch einen Blogeintrag über eine erfolgreiche Besichtigung inklusive Bilder erhofft, kann sich die Mühe des Lesens gleich sparen.

Denn wie sollte es anders sein, ist der Himmel tief mit dicken fetten Wolken verhangen, sodass man nicht mal die nächsten Hügel sehen kann. Geschweige den, den noch höheren Fuji-san. Wir konnten schon von Glück sprechen, wenn es aufhörte zu regnen oder zu nieseln.
Deshalb machten wir gestern nur einen kurzen Abstecher in die Touristeninformation und liefen danach noch etwas durch die Stadt. Dabei fanden wir einen kleinen Schrein, der über eine lange Baumallee zu erreichen war. Die mittlerweile untergehende Sonne tauchte die ganze Umgebung in mystisches rosa Licht.

Auch heute Morgen sah das Wetter kein bisschen besser aus. Trotzdem stiegen wir die 398 Stufen des nahe gelegenen Berges hinauf zu Chureito Pagode. Diese ist eines der beliebtesten Fotomotive in Verbindung mit dem Fuji, der majestätisch im Hintergrund emporragt. Wenn man Glück hat… Dieses blieb uns vergönnt, wir konnten jedoch erahnen, wie wundervoll der Blick bei klarem Wetter sein muss.

Als kleinen Trost haben wir eine Grafik als Titelbild, in dem der Fuji verbunden werden kann – um einen kleinen Eindruck zu vermitteln, wo er sich befindet.
Nach kurzer Verschnaufpause wagten wir den Abstieg, bei dem uns wieder einmal eine Gruppe jugendlicher Schüler im Dauerlauf entgegen kam.

Mit dem Zug ging es nach Kawaguchiko, von wo aus wir mit dem Sightseeing-Bus, entlang des Saiko Sees, zur Windhöhle (Fugaku Wind Cave) fuhren. Auf dem Weg dahin sah ich im Augenwinkel kurz ein Schild aufblitzen, auf welchem Aokigahara (青木ヶ原) stand. Ich traute meinen Augen kaum und freute mich wahnsinnig, denn diesen Wald hätte ich hier nicht auf unserer Route erwartet.

In Japan und weit darüber hinaus ist der Wald als „Baummeer“ oder „Selbstmörderwald“ bekannt.
Ich hatte schon viel über den sagenumwobenen Wald gelesen. Der 35 km² große Urwald wurde beispielsweise 1927 zum Naturdenkmal ernannt. Viel interessanter für mich war, dass aufgrund eines 1960 erschienenen Romans von Matsumoto Seichō (Nami no tō , 波の塔, Der Wellenturm), in dem eine Figur aus Liebeskummer Selbstmord am Fuß des Fuji Suizid beging, der Wald eine traurige Popularität unter Selbstmördern erlangte. Menschen aus dem ganzen Land kamen in den Aokigahara, um sich hier das Leben zu nehmen. Da der Wald sehr dicht und eintönig ist, finden auch die vielen Patrouillen längst nicht alle Leichen. 2003 war das Jahr mit der traurigen Höchstanzahl von 105 geglückten Suiziden.

Kein Wunder, dass aufgrund der Begebenheiten auch ein Film (The Forest) entstand.
Wir durchquerten nun genau diesen Wald, um erst zur Windhöhle und danach zur Eishöhle (Narusawa Ice Cave) zu gelangen. Für die zweite Höhle liefen wir über einen Kilometer auf einem Lavaweg – und das allein – da die Japaner entweder lauffaul oder abergläubisch waren und nach den ersten Metern umkehrten und einen Bus nahmen (von welchem wir nichts wussten). Wir kamen jedoch lebend an und stiegen die rutschigen Stufen hinunter in die nun wieder sehr touristische Eishöhle.

Vor uns waren zwei junge Frauen, die ihren Opa mitführten, der allerdings nahezu erblindet war. So zog die erste von vorn an ihm und die zweite schob ihn von hinten über die unebenen, rutschigen Stufen und durch Gänge mit 92 cm Höhe. Uns wurde Himmelangst bei dem Anblick, aber sie schafften es tatsächlich, Opi durch die Kluften zu zwängen – Takeshis Castle ist in Kinderspiel dagegen!

Schließlich liefen wir den gesamten Weg durch den Wald zurück, vorbei an Warnschildern, den Weg auf keinen Fall zu verlassen. Sah man einmal von der traurigen Geschichte des Waldes ab, so war dieses wunderschön, da darin niemand anderes als Mutter Natur ihre Finger im Spiel hatte.
Auf unsere Wiederkehr aus dem Wald stießen wir erst einmal mit einem Maiseis an, welches genauso schmeckt, wie es heißt. Dann verweilten wir noch kurz am Kawaguchi See, von dem aus man wunderschöne Bilder vom Fujisan machen kann, wenn er sich denn zeigt.

Unser Abendessen nahmen wir in einem kleinen Restaurant ein, in dem ausschließlich zwei Omas kochten und servierten und sich nebenbei noch im den Enkel kümmerten, der die Begrüßung und Verabschiedung der Gäste übernahm.

An und für sich war es für uns enttäuschend, dass wir den Fuji in zwei Tagen nicht in einziges Mal zu Gesicht bekamen, waren wir doch extra dafür hierher gekommen. Andererseits freue ich mich riesig, im Aokigahara gewesen zu sein. Hier wollte ich ebenfalls schon immer einmal her, hätte den Ort jedoch nie in die Reiseplanung aufgenommen.

Bilder

Ein Kommentar

  • Mu

    Mysteriös! An manch einem Baum wird man ja nahezu aufgefordert, wenn dort gleich ein Seil (als Schleife) drum herum gebunden wurde, sich in den besagten gruseligen Wald zu begeben. Die Japaner schocken einen schon immer wieder. Jede Woche zwei die nicht wieder heraus kommen.
    Schreibt euch den Fuji auf die Liste für das nächste Jahr, da soll besseres Wetter werden. (lächel)
    Lustig ist auch das Essen im „Eimer mit K…deckel“.
    LG von daheim.

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