Japan,  Japan 2014

Electric Town

Leider war unser gemütliches Kapselhotel nur eine Nacht verfügbar, sodass wir heute Morgen in eine andere Unterkunft ziehen mussten. Unser jetziges Hostel könnte spontan einem Horrorfilm entsprungen sein. Die Gänge sind denen eines alten, leerstehenden Schulgebäudes gleich. Das Bad, welches von weiblichen und männlichen Zeitgenossen gleichzeitig genutzt wird, sieht aus als würde es seit Jahrzehnten ungebraucht sein. Das Personal jedoch fährt weder mit einem roten Dreirad über den Gang, noch steht es mit erhobenem Messer hinter dem Vorhang. Alle Mitarbeiter sind unwahrscheinlich nett und hilfsbereit.

Da wir morgen zu einem Baseballspiel von den Tokyo Giants gehen wollen, fuhren wir zuerst zum Tokyo Dome, um uns mit Karten zu versorgen. Was nun geschah, entzieht sich jeder Vorstellungskraft: trotz vier besetzter Kassen, stand eine in etwa 2 Kilometer lange Menschenschlange vor dem Ticketschalter. Wir liefen 5 Minuten um das Ende der Schlange zu suchen und gaben geschockt auf, als wir es in der Ferne und ein Stockwerk tiefer entdeckten. So gerne wir zu dem Spiel gegangen wären, so wenig waren wir bereit, vier Stunden eines unserer letzten Tage in Tokyo mit Anstehen zu verbringen. Enttäuscht zogen wir weiter, um unsere Stimmung im Elektronikviertel Akihabara wieder steigern. Die Läden, die uns interessierten, fanden wir nach mittlerweile jahrelanger Übung auf Anhieb.

Wir streiften durch enge Gänge, die meterhoch mit allerlei Technik zugeramscht sind. Kabel jeder Länge und jeden Nutzens, LEDs, Spiele für jede Konsole von der ersten bis zur neusten, sonderbare Gegenstände, deren Funktion nicht auf Anhieb zu erkennen ist, alles gab es in Unmengen in den vielstöckigen Gebäuden.

Interessant sind vorallem die Läden, in denen man die sündhaft teuren japanischen Sammlerpuppen (von denen auch ich eine handvoll besitze) kaufen kann. Diese sind wider Erwarten nicht von jungen Mädchen, sondern erwachsenen Männern überlaufen, die, ihre riesigen Puppe sorgsam auf dem Arm tragend, durch die Regale schleichen und neue Kleidung für ihre genügsame Freundin kaufen.

Ist das Objekt der Begierde dann mit neuem Outfit, das genauso viel kostet wie normale Kleidung, ausgestattet, wird es in einem der vielen eigens dafür eingerichtete Mini-Wohnungen trappiert und professionell fotografiert. Gegenseitig wird sich Bewunderung über die neue Frisur oder Miniaturhose ausgesprochen, ehe Mann das Kaufhaus mit seiner Puppe wieder verlässt. Hier werden die verrückten Seiten von Tokyo mindestens so greifbar, wie bei den unzähligen Mädchen, die vor Maid Cafes in Schuluniform oder Hasenkostümen herumhüpfen und die zähe Menschenmasse in die Eingänge locken möchten.

Am Abend kamen wir mit Bobby, einem japanischen Hostelangestellten in Gespräch, der uns das Spiel der Tokyo Swallows an Herz legte. Die Mannschaft spielt in der gleichen Liga wie die Giants, der Ticketkauf sei aber bezahlbar und überhaupt möglich, da die Mannschaft nicht von sämtlichen Firmen gesponsert wird. Also auf geht’s morgen: Swallows – ich will einen Homerun sehen!

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